Allgemein Ratsfraktion

Wahlwerbung in Flensburg? Gar nicht so einfach

Der Hauptausschuss der Stadt Flensburg hat mit der mehrheitlichen Ablehnung der durch die FDP-Ratsfraktion eingebrachten Vorlage HA-25/2017 in seiner Sitzung vom 4. Juli  erneut gegen „freie Plakatierung“ für Wahlwerbungszwecke gestimmt.
Den bei staatlichen Wahlen kandidierenden Parteien und Einzelbewerber*innen bleibt es also weiter untersagt, abweichend von den 47 Blech-Stellwänden im Stadtgebiet Flensburg durch Plakate auf die Wahl aufmerksam zu machen und für sich zu werben.

Das durch einen Magistratsbeschluss aus dem letzten Jahrhundert geregelte Vorgehen, dass Wahlsichtwerbung nur auf 47 Stellwänden, die quer in der Stadt verteilt sind, erfolgen darf, ist längst überholt. Bei den vom zuständigen TBZ ausakorenen Stellwandplätzen kann man zudem auch eines feststellen: mal sind die Stellwände gut öffentlichkeitswirksam aufgestellt, wie bspw. vor dem Deutschen Haus oder gegenüber des ZOB. Und mal sind sie an so ungünstigen und zugewucherten Orten platziert, dass man die Plakatierung direkt sein lassen könnte, beispielsweise Husumer Straße Ecke Zur Bleiche.
Bemerkenswert ist zudem, dass in einer 56,74 Quadratkilometer   großen, kreisfreien Stadt ganze 47 Stellwände und damit 47 Plakate je kandidierender Partei/Einzelbewerber*in für die Wahlwerbung ausreichen sollen. Dies führt außerdem dazu, dass die größeren Parteien von der Stadt vorgeschrieben bekommen, dass sie nur genau so viel Wahlsichtwerbung machen dürfen, wie viel kleinere Parteien. Das halten wir Jusos für verfassungswidrig.

 
Möchte eine Partei dennoch mehr Wahlsichtwerbung betreiben, ist sie auf die Werbeflächen von Privatunternehmen angewiesen. Dass die Preise für Werbeflächen gerade zu Wahlkampfzeiten explodieren, ist allgemein bekannt.
Dies führte beispielsweise dazu, dass im Oberbürgermeisterwahlkampf 2016 die Kandidatin von SPD, CDU, und B’90/Grüne, Simone Lange, alle Werbeanlagen an den Bushaltestellen in Flensburg angemietet hat. Das ist eine völlig legitime Entscheidung, die wir damals wie heute unterstützen. Im Grunde ist das aber auch  unfair gegenüber anderer kandidierender Parteien/Einzelbewerber*innen, da diese keine weitere Möglichkeit haben, so wirksam in Erscheinung zu treten.
Im Landtagswahlkampf war es der SSW-Direktkandidat Christian Dirschauer, welcher die Bushaltestellen-Werbeanlagen anmietete.
Absurderweise wurde im Oberbürgermeisterwahlkampf sogar das vom Einzelbewerber Jens Drews am Deutschen Haus angebrachte Großplakat zwangsweise wieder abgehängt. Begründung der Stadt damals: das Gebäude ist zwar verpachtet, gehört jedoch der Stadt Flensburg.
 
Wir Jusos haben in vergangenen Wahlkämpfen ebenfalls mit der z.T. völlig verrückten Bürokratie Erfahrungen gemacht:
Im Oberbürgermeisterwahlkampf 2016 wurden wir bspw. vor der Auguste-Viktoria-Schule abgewiesen- trotz vom TBZ genehmigter Sondernutzungserlaubnis für die Nutzung öffentlicher Wege und trotz Einhaltung aller Auflagen und Bedingungen. So war eine Auflage, dass wir Jusos „Rücksicht auf die Belange der Schule“ nehmen und uns vor Aufbau des Wahlkampfstandes bei der Schule ankündigen mussten. Von jeglicher politischer Werbung war der Schulleiter der AVS offensichtlich gar nicht angetan. Er untersagte uns den Aufbau, kontaktierte das TBZ telefonisch und der erlaubnisgebende Sachbearbeiter kam kurzerhand aus dem TBZ angeradelt, um den Bescheid mündlich zu widerrufen. Unser Trostpreis: wir „durften“  den kleinen Stand in der Fußgängerzone in der Innenstadt betreiben. Dass unser Ziel als politische Jugendorganisation insbesondere war mit Jugendlichen ins Gespräch zu kommen und dies in der Innenstadt nicht gewährleistet ist, war offensichtlich egal.
Auf eigene Faust haben wir im Landtagswahlkampf 2017 2 Juso-Plakate an Laternenmasten angebracht. Dort abgebildet natürlich Werbung für die SPD und Torsten Albig und in großen Lettern der Wahltermin. Einige Tage später hat uns der zuständige Sachbearbeiter des Technischen Betriebszentrums per Email aufgefordert, diese umgehend abzuhängen. Sogar mit dem Zwangsmittel der Ersatzvornahme und den daraus resultierenden Kosten wurde uns gedroht. Gegen diesen Bescheid haben wir nachweislich am 26. April 2017 widerspruch eingelegt. Das TBZ hat auf den eingelegten Widerspruch bis heute nicht reagiert. Kurz darauf waren unsere Plakate am Südermarkt abgehängt worden. Die „sofortige Vollziehung“ wurde seitens des TBZs übrigens nicht angeordnet.
 
Zur Rechtslage der Wahlsichtwerbung in Flensburg und zur Ablehnung des FDP-Antrages im Hauptausschuss erklärt  der Kreisvorsitzende der Jusos in der SPD Flensburg, Tiemo Olesen:
„Wahlplakate sind das  Lametta der Demokratie!  Sie sind für Kandidierende das Mittel, um ihre Kernforderungen und Botschaften unter die Bevölkerung zu bringen. Wir Jusos erleben es oft, dass wir im Wahlkampf an Haustüren klingeln, um SPD-Wahlflyer zu überreichen und viele Flensburger*innen sogar kurz vor dem Wahltag von der anstehenden Wahl überrascht sind. Nicht selten fragen die Betroffenen dann nach den fehlenden Wahlplakaten. Natürlich möchten auch wir nicht, dass in Flensburg die pure Plakatierungswut der Parteien losbricht, wie anderswo schon geschehen. Es darf aber nicht sein, dass jeder Zirkus und jede  Erotikmesse gegen entsprechenden Obulus plakatieren darf, und die Parteien dürfen dies nichteinmal im Wahlkampf. Das gerade von den Grünen immer gern aus dem Hut gezauberte Argument des Umweltschutzes zieht in dieser Sache übrigens nicht. Mit der Ablehnung des FDP-Antrages im Hauptausschuss hat man nicht nur der FDP einen erneuten Dämpfer aufgedrückt, man hat auch verpasst sich als Politik vor Ort selbst Vorgaben zu geben, was beim Plakatieren geht und was nicht. Dass selbst die SPD-Ratsfraktion mit 2 ihrer 3 Stimmen den Antrag im Hauptausschuss ebenfalls abgelehnt hat, können wir überhaupt nicht nachvollziehen.“
 
Zu den Vorkommnissen an den Schulen ergänzt Tiemo Olesen: „Die Schulen müssen begreifen, dass Wahlwerbung ein Grundpfeiler unserer Demokratie ist. Wenn wir Jungpolitiker*innen daran gehindert werden, auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen in der Nähe von Schulen auf Wahlen und auf  sozialdemokratische Forderungen  hinzuweisen, dann schadet es nicht nur uns selbst, es schadet vor allem der freien Meinungsbildung der Jugendlichen. Viel zu oft kommt es vor, dass Jugendliche uns zurufen, dass sie eh das wählen, was ihre Eltern wählen. Dies liegt auch daran, dass Lehrkräfte in der Vergangenheit viel zu wenig mit ihren Schüler*innen über Wahlen oder überhaupt über das Wahlrecht gesprochen haben. Wir sind froh, dass das mittlerweile nicht mehr so ist und in Flensburgs Schulen eine wahre Trendwende stattfindet- im Landtagswahlkampf fanden für fast alle wahlberechtigten Jugendlichen  Infoveranstaltungen mit allen Kandidat*innen und Jungpolitiker*innen der kandidierenden Parteien in den jeweiligen Schulen  statt. Fast immer haben die Schülervertretungen für diese Infoveranstaltung bei ihren Schulleitungen Druck gemacht und diese dann sogar selbst noch  moderiert.“
 
Abschließend stellt der Juso-Kreisvorsitzende fest: „Wir können nicht über zu niedrige Wahlbeteiligungen schimpfen und dann an solchen vollkommen realitätsfernen Regelungen festhalten. Ich bin der Meinung, dass ein höheres politisches Interesse bei  Wahlplakaten anfängt- und wenn die Forderungen dann auch noch als gut befunden und versprechen eingelöst werden, können wir die Wahlbeteiligung sehr schnell sehr rasant ansteigen lassen.“

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