Kreisverband

AfB: Inklusion in der Oberstufe statt Übergangssystem

 

Die duale Berufsausbildung in Deutschland mit betrieblicher Ausbildung und Berufsschule hat einen guten Ruf. Doch das Angebot an Ausbildungsplätzen geht zurück und die Betriebe bevorzugen verstärkt Jungendliche mit höheren Abschlüssen. Jugendliche, die langsamer lernen, bei denen ein Förderbedarf vorliegt oder die einen Migrationshintergrund aufweisen, haben große Probleme, nach Klassenstufe neun in die berufliche Ausbildung zu wechseln. Das gilt auch für Jugendliche mit dem ersten allgemeinbildenden Schulabschluss (ESA) und inzwischen selbst für solche mit dem mittleren Schulabschluss (MSA).

Sie landen dann häufig im wenig effektiven Übergangssystem mit seinen Warteschleifen und werden später häufig arbeitslos. Rechnet man die durch die PISA-Schulleistungsvergleiche ausgewiesenen RisikoschülerInnen dazu, die nur über eine rudimentäre Lesekompetenz verfügen, zählt rund ein Fünftel eines Schülerjahrgangs zu dieser Gruppe. Jeder sechste junge Erwachsene hat keine abgeschlossene Berufsausbildung.

Durch die zunehmende Digitalisierung der Wirtschaft wird es zukünftig für diese soziale Gruppe noch weniger Beschäftigungsmöglichkeiten geben. Deshalb ist es an der Zeit, über neue Wege in der Qualifizierung für Inklusions- und RisikoschülerInnen nachzudenken. Die Arbeitsgemeinschaft für Bildung in der SPD (AfB) der Nordkreise Nordfriesland, Schleswig-Flensburg und Flensburg hat sich auf ihrem 7. Dagebüller Gespräch ausführlich mit dieser Thematik beschäftigt. Im Anschluss an ein Referat des Kieler Schulforschers Joachim Lohmann wurde die Idee einer ergänzenden gemeinsamen Oberstufe für die Jahrgangsstufen 11 bis 13 entwickelt. Diese müsste jahrgangsübergreifend und überwiegend projektorientiert organisiert werden und die erbrachten Leistungen als Kompetenzen ausweisen.

Eine solche Oberstufe könnte ergänzend zu den schon bestehenden gymnasialen Oberstufen an Gymnasien und Gemeinschaftsschulen, aber auch an Gemeinschaftsschulen ohne Oberstufe errichtet werden. Für die Inklusions- und RisikoschülerInnen müssten die Übergangshürden wie der Erste Allgemeinbildende Schulabschluss (ESA) und der Mittlere Schulabschluss (MSA) ausgesetzt werden, damit sie dreizehn Jahre im Schulsystem verbleiben können. An diesen Oberstufen könnten dann die Regel-SchülerInnen die Hochschulreife erwerben und der andere Teil die Berufs- oder Berufsausbildungsreife.

Die AfB schlägt vor, eine solche neue ergänzende Oberstufe in einem fünfjährigen Modellversuch an mindestens fünf Schulen zu erproben und diesen wissenschaftlich zu begleiten und zu evaluieren. Anschließend könnte dann in einer kritischen Bestandsaufnahme politisch entschieden werden, ob die neue Form der Oberstufe ins Schulgesetz aufgenommen wird. Auch die Wirtschaft sollte an dieser Schulreform ein Interesse haben, zeigen doch die Daten, dass große Teile der Inklusions- und RisikoschülerInnen – wenn überhaupt – erst mit 19 bzw. 20 Jahren ins duale Ausbildungssystem wechseln.

Justus Klebe
Kreisvorsitzender