Der Umgang mit der Corona-Pandemie wird breit gesellschaftlich diskutiert – unter Nachbarn und Freunden, in den Medien, in der Politik und auch im Internet. Dies ist in einer demokratischen Gesellschaft wichtig und notwendig. Auch wir im Kreisvorstand haben in den letzten Wochen dazu immer wieder harte Diskussionen geführt. Wichtig dabei war uns immer, dass sowohl die Ängste vor dem Corona-Virus als auch die Ängste vor den Folgen der ergriffenen Maßnahmen ihre Berechtigung haben. Wir sehen, dass Tausende Menschen in Deutschland gestorben sind und trotzdem Deutschland im Verhältnis zu anderen Ländern relativ gut durch diese Pandemie gekommen ist. Wir sehen aber auch, dass die Folgen der Corona-Maßnahmen für viele Menschen persönlich, aber auch für die Gesellschaft als Ganzes eine riesengroße Belastung sind und noch lange sein werden. Arbeitslosigkeit oder Einkommensverluste durch Kurzarbeit sind genauso real wie der Corona-Virus.
Leider bleibt es nicht immer nur bei dem demokratisch notwendigen Diskurs. So sieht man jeden Tag im Internet, wie in Videos und Beiträgen unter dem Deckmantel der Aufklärung Fakten und abstruse Theorien miteinander vermischt werden und zu immer neuen Verschwörungstheorien weiter gesponnen werden. Nicht immer ist es auf den ersten Blick einfach zu erkennen, wo berechtigte Fragen aufhören und Verschwörungstheorien anfangen.
Eine der besten Definitionen kommt von Prof. Dr. Butter von der Universität Tübingen: „Verschwörungstheorien behaupten, dass eine im Geheimen operierende Gruppe, nämlich die Verschwörer, aus niederen Beweggründen versucht, eine Institution, ein Land oder gar die ganze Welt zu kontrollieren oder zu zerstören. […] Drei Grundannahmen [sind] konstitutiv für Verschwörungstheorien: 1.) Nichts geschieht durch Zufall. 2.) Nichts ist, wie es scheint. 3.) Alles ist miteinander verbunden.“ (Butter, 2018, S. 21f.).
Und weiter: „Verschwörungstheorien basieren auf der Annahme, dass Menschen den Verlauf der Geschichte ihren Intentionen entsprechend lenken können, dass Geschichte also planbar ist. Sie schreiben den Verschwörern die Fähigkeit zu, über Jahre, manchmal sogar über Jahrzehnte hinweg die Geschicke eines Landes oder gar der Welt zu bestimmen. Oft verstehen sie sogar die Geschichte an sich als eine Abfolge von Komplotten einer oder verschiedener Gruppen. Somit sehen sie die Welt radikal anders als die Psychologie, die Soziologie oder die Politikwissenschaft.“ (vgl. ebd. S.40f.)
An den letzten Samstagen fanden auch in Flensburg Hygienedemos statt die sich gegen die Corona-Maßnahmen richteten. Eigentlich wäre dagegen auch gar nichts einzuwenden. Gegen Maßnahmen, die die Regierung ergreift, demonstrieren zu dürfen, ist eines der wichtigsten Merkmale einer gelebten Demokratie. Wenn man aber genauer hinsieht, dann fällt auf, dass dort viele Verschwörungstheorien verbreitet werden, viele ehemalige und aktuelle Funktionäre der AfD und etliche von den rechtsextremen Flensburger Patrioten dort zu finden sind. Aber auch einige Menschen, mit denen wir in anderen Zusammenhängen immer gut zusammen arbeiten. Die mit uns zusammen den Geflüchteten am Bahnhof geholfen haben, mit uns zusammen für die Rechte von Homosexuellen demonstriert haben oder die wir einfach aus dem Verein oder aus der Kirche kennen. Die also alles andere als rechts sind.
Für uns als SPD muss klar sein: Hochkomplexe Zusammenhänge einfach damit zu verkürzen, dass hinter all dem eine geheime Macht steht, kann nicht der Anspruch unserer politischen Arbeit sein. Doch uns ist eine klare Trennschärfe natürlich wichtig. Nicht jede Meinung, Ansicht oder Theorie darf gleich in die dunkle Ecke der Verschwörungstheorie gerückt werden. Auch das wäre verkürzt und widerspricht ebenso unseren Grundsätzen.
Deshalb bitten wir jeden von Euch, wenn Ihr jemanden kennt, der sich an diesen Demos beteiligt, sagt ihm, mit wem er dort demonstriert – mit Rechten und mit Verschwörungstheoretikern. Mit denen ist keine solidarische Gesellschaft zu machen. Ladet alle, die Kritik haben und für eine solidarische Gesellschaft sind, ein, mit uns zu diskutieren, mit uns zu streiten, uns zu kritisieren, aber auch gemeinsam mit uns für gute Lösungen zu kämpfen. Wir wollen keinen Menschen an die rechten Bauernfänger verlieren.
Für Verschwörungstheorien ist in der SPD kein Platz, aber für konstruktiv und kritische Diskussionen ist immer Platz in der SPD.
Florian Matz
Mitglied des Kreisvorstandes